Karhunkierros Winter-Tour, Finnland

Eiszeit - ja genau, das passt! Meine beiden Tour-Kameraden Alex und Sanjka schmunzeln und nicken zustimmend mit dem Kopf. Aber jetzt mal von Anfang an...
19.02.2010 - Tag 1 - Eiskalte Fakten aus dem Cockpit

20.02.2010 - Tag 2 - Auf in die Wildnis

Auf dem zugefrorenen Fluss könnten wir die verlorene Zeit wieder aufholen. Das erscheint uns aber zu riskant, da das eiskalte Wasser immer wieder mal an eisfreien Stellen auftaucht. Am frühen Nachmittag nimmt das Tageslicht bereits ab und die bittere Kälte entsprechend zu! Die Zwangspausen kühlen unseren Organismus immer wieder aus. Wir finden keinen Rhythmus. Im Kampf mit der Kälte quälen uns ständig taube Zehen und Fingerspitzen.
So macht das echt keinen Spaß mehr! Wir schreiben unser Tagesziel ab und richten uns für heute Nacht in der Ristikallio-Blockhütte ein.
21.02.2010 - Tag 3 - Sehnsucht nach dem Feuer

22.02.2010 - Tag 4 - Der Ofen glüht mal wieder
Auch an diesem Morgen dampfen unsere Worte wieder in der eiskalten Morgenluft als wir uns vor die Tür unserer kuschelig warm geheizten Blockhütte wagen. Trotzdem es ist nicht wie gestern, wo man bei jedem Atemzug das gefüht hatte, dass im nächsten Moment der Rachen zufriert.
Bei einem herzhaften Frühstück tanken wir Energie. Das mitgebrachte Brot ist schon sehr zerknautsch, kein Wunder nachdem es zwangsweise die letzten Tage schon mehrfach eingefroren und wieder aufgetaut wurde. Aber unser Pemmikan ist sehr lecker. Dieser geniale Energielieferant aus Fleisch und viel Fett ist ein unerlässlicher, sehr haltbarer Proviant besonders bei Winter-Outdoortouren. Inzwischen kann man diese traditionelle Verpflegung verschiedener Ureinwohner und Nomadenstämmen des Nordens auch als fertige, industriell gefertigte Outdoorpackung kaufen. Unser Pemmikan hat Sanjka allerdings daheim selbst zubereitet, gut gemacht Smutje!
Um halb zehn geht´s los. Die Strecke ist super geeignet für unsere Jagd-Skier, es gibt nur leichte Steigungen. Obwohl es leicht schneit, kommen wir gut voran. Tatsächlich können wir eine Schneemobil-Spur erkennen, die schon ein paar Tage alt sein muss. Ansonsten leiten uns auch die Routenmarkierungen inform von roten Bänder an den Bäumen zielsicher zur Jussinkampä. Wir kommen schon am frühen Nachmittag am Etappenziel an und sind mal wieder total verschwitzt. Unmittelbar nach dem runterschalten in den Ruhemodus, spürt unsere Körper jedoch schon wieder die eisige Kälte. Tja, das ist eben die harte Realität einer jeden Wintertour, c'est la vie! Jeder sehnt sich erstmal nach einem trocknenden und wärmenden Feuer. Die Jussinkampä ist wie die anderen Blockhütten im Oulanka Nationalpark das ganze Jahr unverschlossen und kann von jedem der vorbei kommt genutzt werden. In den Hütten steht immer ein Holzofen zur Verfügung. Was bei Sommerwanderer wenig bis keine Beachtung findet, ist im bei einer Wintertour -ohne Übertreibung- die Lebensversicherung. Nach den üblichen Ritualen, wie Holz machen, Ofen zum glühen bringen, Schnee schmelzen und Kalorien tanken, verbringen wir den restlichen Abend mal wieder mit Reparaturarbeiten. Heute ist meine gebrochene Brille und die zerrissene Hose von Alex an der Reihe.
23.02.2010 - Tag 5 - Der schnellste Klobesuch aller Zeiten
Das am zweit-unangenehmste Übel an einer Wintertour (gleich nach dem Schwitzen bei Eiseskälte) ist der Gang auf´s Klo, dabei meine ich natürlich das große Geschäft! Immerhin stehen bei den Blockhütten kleine hölzerne komplett eingeschneite Klo-Häuschen. Trotzdem ist es echt kein Spaß! Aber keine Angst ich werde hier nicht weiter ins Detail gehen, nur soviel sei verraten: Ich hätte nicht gedacht, dass das Ganze mit schlotternden Knien so schnell gehen kann!
Heute scheint sogar die Sonne, was nicht nur die Kälte um einiges erträglicher macht, sondern auch die Winterlandschaft Lapplands noch schöner erstrahlen lässt. Passend zu dieser Kulisse können wir heute auch wieder Fotographieren, nachdem sich unsere Akkus bis gestern im Kältestreik befanden. Das heutige Tagesziel Juuma erreichen wir schon am frühen Nachmittag. Die kleine Siedlung mit einer Hand voll Blockhütten liegt verschlafen in der Schneelandschaft aber immerhin ist die Loipe präzise gespurt. Ein eindeutiger Hinweis auf Zivilisation. Ein älterer Wintersportler will sich soeben die Skier anziehen, stockt dann aber, als er uns sieht, wie wir mit unseren russischen Jagdskiern und den großen Trekkingrucksäcken mit schweren Schritten näher kommen. Offensichtlich ist unser Anblick eine willkommene Abwechslung hier Mitten im Schnee von finnisch Lappland. Wie wir im Gespräch erfahren, handelt es sich um einen Rentner aus Hannover, der jedes Jahr mehrere Wochen hier verbringt. Mit anerkennendem Nicken erkundigt er sich nach unseren Tourerlebnissen und macht sogar noch ein Foto von uns als Erinnerung an die interessanteste Bekanntschaft in diesem Urlaub hier am Rande der Wildnis, vielleicht ja auch die einzige?!
Wir suchen unsere Unterkunft für diese Nacht. Die anvisierte Blockhütte müsste laut Karte gleich hinter Juuma bei der historischen Mühle am See liegen. Wir kämpfen uns durch den weichen Pulverschnee entland des Seeufers auf und ab, die Suche bleibt jedoch erfolglos. Aus Mangel an Alternativen versuchen wir unser Glück im Oulanka Basecamp, eine Art Wildnis-Hotel in Juuma. Hier werden Touristengruppen untergebracht, denen man mittels geführten Tagestouren Outdoor-Aktivitäten wie Schneeschuh laufen oder auch Iglu bauen näher bringt. Als wir eintreffen wird gerade eine Gruppe englischer Touristen gebrieft für das morgige Hundeschlittenfahren. Jeder solle sich vor dem Einsteigen in den Shuttle-Bus noch die mit warmen Tee gefüllte und mit seinem Namen beschriftete Thermo-Trinkflasche vor der Küche abholen. Ausserdem werden extra dicke Daumenjacken verteilt, die nach meiner Einschätzung sogar für eine Arktis-Expedition gut gewesen wären. Blaue für die Herren und rote für die Damen. Die rollenden Augen meiner Trekking-Kollegen verraten mir ihre Gedanken: "Oh Gott, wir sind hier falsch!"
Wir bleiben trotzdem, weil wir auf eine Nacht im selbstgebauten Iglu noch weniger Lust haben. Und so beziehen wir das letzte freie 4er-Zimmer und genießen heute den ungewohnten Luxus einer Dusche und eines warmen Bettes.
24.02.2010 - Tag 6 - Der schönste Campingplatz der Welt
Wir genießen das üppige Frühstück in unserer Luxusherberge in vollen Zügen, sind dann aber doch froh, dass wir dem Trubel der lauten Engländer-Truppe schnell wieder entfliehen können und bald wieder die Ruhe der verschneiten einsamen Weite erleben dürfen. Obwohl die Guides hier echt super nett sind. Natürlich haben sie sich auch für unsere respektable Tour und vor allem für unsere ungewöhnlichen Jagdskier interessiert. Der Teamleiter hat sich sogar persönlich von uns per Handschlag verabschiedet.
Schon bei unserer Sommertour vor fast zwei Jahren fanden wir die Porotimajokki-Hütten als das am schönsten gelegene Camp auf dem Karhunkierros. Und so marschieren wir bei strahlendem Sonnenschein getragen von dieser Vorfreude in Richtung unseres letzten Wildnis-Camps auf dieser Tour. Schon um 13 Uhr kommen wir an, obwohl wir uns auf den letzten Metern sehr mühsam mit unseren schweren Rucksäcken durch den Tiefschnee kämpfen müssen. Wir sind uns sicher, hätten wir die Lage des Porotimajokki-Camps nicht von unserer Sommertour noch in Erinnerung, wir hätten die Hütte im tief verschneiten Winterwald sicher nicht gefunden.
Es schneit, die Temperaturen sind angenehm, wir schätzen so zwischen - 15 und -20 °C. Nach unserer Ankunft machen wir noch eine ausgiebige Tour durch den Wald. Ohne Rucksack ist es trotz Tiefschnee fast ein Spaziergang. Beim Fotografieren genießen wir noch bis spät in die Nacht die Abgeschiedenheit dieser märchenhaften Umgebung, wohlwissend, dass wir uns ab morgen wieder in der Zivilisation zurecht finden müssen.
Von der nächtlichen klirrenden Kälte draussen lässt sich der kleine Holzofen überhaupt nicht beeindrucken. Entgegen unserer Erwartung heizt er die kleine Hütte deutlich mehr als gewollt auf und so können wir vor dem Schlafen gehen noch eine wahre finnische Sauna genießen.
25.02.2010 - Tag 7 - Zurück in der Zivilisation
Wir haben gestern noch ein kleines Eisloch am Bach geschlagen, es ist nur leicht zugefroren. Fließendes Wasser bei einer Wintertour ist ein unschätzbarer Vorteil. Das erspart das müselige Schmelzen von Schnee. Und so ist das heutige Frühstück schneller als sonst zubereitet. Wir haben noch genau eine Wurst für jeden und dazu noch jede Menge Müsli-Riegel. Auf unserer letzten Etappe begleitet uns ein eisig kalter Wind. Besonders beim Überqueren der zugefrorenen Seen und auf den freistehenden Bergkuppen spüren wir die Unbarmherzigkeit des finnischen Winters.
Die Anzeichen der Zivilisation sind inzwischen unübersehbar. Immer häufiger stehen einsame Blockhütten entlang der Strecke und schon bald stoßen wir auf eine akkurat gezogene Loipenspur. Ungewohnt ist es für uns auch, dass wir das erste Mal seit Tagen wieder eine Straße überqueren müssen. Die Loipenspur führt uns um den Rukatunturi herum. Im Sommer führt die Route auf dem Kamm dieses Höhenzuges entlang. Schon bevor wir das Skigebiet von Ruka erreichen, verfolgen uns die Blicke der inzwischen zahlreichen Skitouristen. Wie geplant ergreifen wir die erste Möglichkeit zur Einkehr. Wir sehnen uns alle nach einem richtigen Kaffee und dazu etwas Süsses. Einfach herrlich nach den entbehrungsreichen Tagen mit Minimalverpflegung. So und nun zur allerletzten und zweifelsohne nochmals interessanten Etappe. Ruka liegt auf der anderen Seite des Rukatunturi. Im dortigen Ski-Hotel werden wir heute unsere luxuriöseste und zugleich letzte Nacht in Lappland verbringen. Mit dem Skibus ins Hotel zu fahren kommt für uns nicht in Frage, wir wollen einen standesgemäßen Zieleinlauf, nämlich durch das Karhunkierros-Tor am Fuße der Skipiste und direkt vor dem Hotel. Der einzige Weg führt uns daher mit dem Sessellift nach oben und auf der Ruka-Seite wieder ins Tal. Mit normalen Skiern kein Problem, mit 20 cm breiten russischen Jagdskiern ist das schon eher eine riskante Angelegenheit. Aber auch diese letzte Herausforderung meistern wir mit Bravour und genießen die vielen staunenden Blicke der Skifahrer.
Mit Stolz aber auch mit Wehmut erreichen wir dann am frühen Nachmittag das Ziel unserer Tour. Für die wenigen Meter vom hölzernen Karhunkierros-Tor, welches das Ende der Bärenroute markiert nehmen wir uns viel Zeit, als wollten wir das Ende unserer einzigartigen Winter-Trekkingtour noch nicht so richtig wahr haben.
26.02.2010 - Tag 8 - Blick über die Wolken
Nachdem wir gestern Abend mal wieder ein richtiges Abendessen zusammen mit ein paar Bieren geniessen durften, hatten wir uns sogar noch an der Bar einen Whisky genehmigt. Und heute morgen nun betrachten wir mit leuchtenden Augen das gigantische Frühstücksbuffett wie früher als Kinder die Weihnachtsgeschenke unterm Baum. Was für ein Luxus. Nachdem wir uns quer durch die aufgetischten Köstlichkeiten gefuttert haben und das ganze mit literweise Kaffee und diversen frischgepressten Säften begossen hatten, sind wir uns einig, dass in diesem Zustand an eine kilometerlange Wanderung wie in den vergangenen Tagen nicht zu denken wäre. Stattdessen schieben wir unsere vollen Bäuche in Richtung Skilager, wo wir unser gesamtes Equipment fertig für die Rückreise packen müssen. Um 12 Uhr geht der Shuttle-Bus zum Flughafen. Trotz Heimreise ist die Stimmung etwas gedrückt. Nur das freundliche Lächeln der finnischen Stuardessen tröstet uns ein wenig über den Abschiedsschmerz hinweg. Der Blick über die Wolken ist traditionell der Moment für das Tour-Resümee.
Ohne Zweifel war diese Tour eine große Herausforderung für uns. Nicht so sehr wegen dem sportlichen Anspruch, sondern mehr wegen den wirklich anspruchsvollen und widrigen Umständen. Man braucht schon eine ordentliche Portion Enthusiasmus und Abenteuerlust um bei unter -30°C mitten in der gottverlassenen finnischen Winterlandschaft Spaß daran zu haben im Tiefschnee mit der knapp 20 kg schweren Ausrüstung eine verschneite tiefgefrorene Blockhütte zu suchen, bevor die Sonne am Nachmittag bereits schon wieder untergeht. Wir müssen zugeben, dass wir schon gleich am ersten Tag unsere Zweifel hatten, ob das zu schaffen sei. Als uns die aussergewöhnlichen Tiefsttemperaturen beim Tourstart überrascht hatten, sprachen wir noch von Pech. Heute sehen wir es als unser Glück an, weil wir so zu den wenigen Outdoorern gehören, die solch eine prägende Tour erleben durften und nun voller Stolz von dieser Grenzerfahrung berichten können.
Bei der Planung dieser Tour waren wir uns sicher, dass uns die Ortskenntnis aus unserer Sommertour 2008 hier auf der Bärenroute einen Vorteil verschaffen würde. Die Wirklichkeit war noch viel extremer: Wir sind uns alle einig, dass wird ohne die Gegend zu kennen unsere Wintertour so nicht durchziehen hätten können.
Noch mehr Fotos gibt´s hier in der Bildergalerie.
Alex, Sanjka und Raphael